Binäre Formen und Ideale < Zahlentheorie < Algebra+Zahlentheo. < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 11:47 Fr 07.01.2011 | Autor: | kickerle |
Hallo zusammen,
ich habe eine kurze Verständnissfrage. Ist [mm]f=ax^2+bxy+cy^2[/mm] eine binäre Form, dann besteht, vereinfacht gesagt, zwischen den Klassen binärer Formen und den Idealklassen eines quadratischen Zahlkörpers eine eineindeutige Beziehung.
Soweit so gut, zu diesem Thema gibt es ja auch jede Menge Literatur.
Nun lese ich aber einen älteren mathematischen Text in dem eine binäre Form definiert ist als [mm]f=ax^2+2bxy+cy^2[/mm], sprich der mittlere Koeffizient ist im Gegensatz zur ersten Definition zwingend gerade. Auch diese Formen lassen sich in klassen einteilen. Weiss jemand ob auch in diesem Fall die Klassen solcher binärer Formen eineindeutig mit den Idealklassen in quadratischen Zahlkörpern zusammenhängen?
Ich konnte bisher keinen Text finden in dem diese Frage untersucht wurde.
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Sei gegrüßt, kickerle!
> Ist [mm]f=ax^2+bxy+cy^2[/mm] eine binäre Form, dann besteht, vereinfacht gesagt,
> zwischen den Klassen binärer Formen und den Idealklassen eines quadratischen
> Zahlkörpers eine eineindeutige Beziehung.
Korrekt, diese Definition heißt teilweise Eisensteinsche Definition.
> Nun lese ich aber einen älteren mathematischen Text in dem
> eine binäre Form definiert ist als [mm]f=ax^2+2bxy+cy^2[/mm],
> sprich der mittlere Koeffizient ist im Gegensatz zur ersten
> Definition zwingend gerade. Auch diese Formen lassen sich
> in klassen einteilen. Weiss jemand ob auch in diesem Fall
> die Klassen solcher binärer Formen eineindeutig mit den
> Idealklassen in quadratischen Zahlkörpern
> zusammenhängen?
Diese Definition wird insbesondere von Gauss und (meinem Namensgeber) Dirichlet verwendet.
> Ich konnte bisher keinen Text finden in dem diese Frage
> untersucht wurde.
In
Duncan A. Buell: "Binary Quadratic Forms. Classical Theory and Modern Computations." Springer, 1989
werden im Kapitel "6.5 History" beide Definitionen verglichen. Über die Gauss'sche Form heißt es da:
"Further complications arise, but none so serious as the fact that the groups of classes of Gauss forms do NOT correspond directly with all the class groups of quadratic number fields, and so do not provide the significant advantage of an elementary and explicit way for doing number-theoretic computations in those fields."
Das dürfte eine Antwort sein. Allerdings ist sie nicht weiter begründet.
Hochachtungsvoll, P. G. L. Dirichlet
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(Frage) reagiert/warte auf Reaktion | Datum: | 16:52 Fr 07.01.2011 | Autor: | kickerle |
Lieber P.G.L.D.,
ich habe das Buch von Buell vor mir und muss sagen, dass mich diese Aussage in Abschnitt "6.5 History" sehr überrascht. Die komplette Theorie der binären Formen (mit der Eisensteinschen Definition) präsentiert Buell genau so wie sie auch in Gauß´Disquisitiones Arirthmeticae nachzulesen ist (dort natürlich mit binären Formen nach der Gaußschen Definition). lediglich formale Anpassungen werden vorgenommen, da die Determinanten der Formen unterschiedlich aussehen. Insbesondere die Einteilung in Äquivalenzklassen und Geschlechter wird bei beiden Arten von Formen in der gleichen Art und Weise vorgenommen. Und dann soll es am Ende einen eineindeutigen Zusammenhang mit den Idealen in quadratischen Zahlkörpern nur bei den Formenklassen mit den Eisensteinschen binären Formen geben?
Da leuchtet mir noch nicht ein warum diese Eigenschaft bei den Gauß´schen binären Formen nicht mehr gelten soll.
Falls Sie noch einen Literaturtipp haben, immer her damit. Die Antwort auf diese Frage interessiert mich jetzt doch sehr.
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Sei gegrüßt, kickerle!
> Da leuchtet mir noch nicht ein warum diese Eigenschaft bei
> den Gauß´schen binären Formen nicht mehr gelten soll.
Aus dem Gefühl heraus hätte ich auch gesagt, dass die Äquivalenz bestehen bleibt. Aber eine 2 kann einiges kaputt machen - immerhin muss der Zusammenhang zu den Idealklassen quadratischer Körper gewahrt bleiben. Das muss man exakt prüfen. Ohne Begründung bleibt unklar, ob Buell wirklich recht hat.
> Die Antwort auf diese Frage interessiert mich jetzt doch sehr.
Diese Frage hat mich auch sehr interessiert, denn meine Dissertation hatte binäre quadratische Formen zum Thema. Ich hatte damals keine Zeit, dieser Frage bis auf den Grund zu gehen. Die Frage ist etwas komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint - und ich weiß nicht, ob es jemanden gibt, der diese Frage schon beantwortet hat.
Es wäre ein Thema für eine Masterarbeit. Dabei könnte man auch gleich klären und nachweisen, welche Beziehung zwischen den zugehörigen Klassenzahlen besteht.
> Falls Sie noch einen Literaturtipp haben, immer her damit.
Wenn man sich da wirklich hineinknien wollte, müsste man bei meinem Namengeber beginnen:
Dirichlet: Vorlesungen über Zahlentheorie
in der Dirichlet, der Nachfolger auf Gauß' Lehrstuhl, eine erweiterte "Neuausgabe" der Disquisitiones vorgelegt hat. Meines Wissens war ihm die Ideal-Formen-Äquivalent noch nicht bekannt, weil der Begriff des Ideals noch nicht voll entwickelt war. Und dann müsste man die Werke Eisensteins, des Schülers von Dirichlet, studieren: Wo und warum hat er eine andere Definition eingeführt und welche Konsequenzen hatte das für die Theorie der binären quadratischen Formen? Interessant wäre auch herauszufinden, wer die Ideal-Formen-Äquivalenz erstmalig nachgewiesen hat.
Ein guter Lektüretipp ist auch
Scharlau/Opolka: Von Fermat bis Minkowski. Springer, 1980.
wo in den Kapiteln über Lagrange (S. 42ff.) und Gauß (S. 112ff.) mit beiden Definitionen gearbeitet und die Ideal-Formen-Äquivalenz behandelt wird - letzteres aber mit der Eisenstein-Definition.
Für eine weitere Diskussion des Problems müssten wir direkt in Kontakt treten - wobei ich die Personal-Message-Funktionen in diesem Forum noch nicht kenne.
Hochachtungsvoll, P. G. L. Dirichlet
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 01:14 Sa 08.01.2011 | Autor: | felixf |
Moin zusammen,
> > Die Antwort auf diese Frage interessiert mich jetzt doch
> sehr.
>
> Diese Frage hat mich auch sehr interessiert, denn meine
> Dissertation hatte binäre quadratische Formen zum Thema.
> Ich hatte damals keine Zeit, dieser Frage bis auf den Grund
> zu gehen. Die Frage ist etwas komplizierter, als es auf den
> ersten Blick scheint - und ich weiß nicht, ob es jemanden
> gibt, der diese Frage schon beantwortet hat.
da wuerde ich vorschlagen, mal auf mathoverflow nachzufragen. Die Chancen, dass dort jemand weiterhelfen kann stehen doch wesentlich höher als hier.
(Wenn dort einer von euch die Frage stellt, bitte hier verlinken; wenn ihr die dort nicht selber stellen wollt kann ich das auch machen.)
> Für eine weitere Diskussion des Problems müssten wir
> direkt in Kontakt treten - wobei ich die
> Personal-Message-Funktionen in diesem Forum noch nicht
> kenne.
Es waere schoen, wenn ihr dann interessante Zwischenresultate und insb. den Endstand hier hereinstellen koenntet, da es noch mehr Leute gibt (wie z.B. mich) die das interessiert :)
LG Felix
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