Keplersche Fassregel < Integralrechnung < Analysis < Oberstufe < Schule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) für Interessierte | Datum: | 15:54 Mo 04.01.2010 | Autor: | Maeloc |
Hallo!
Ich versuche gerade, die Keplersche Fassregel nachzuvollziehen. Es scheint mehrere Herleitungen dafür zu geben; eine davon ist jener in meinem Mathebuch sehr ähnlich. Ihr findet sie hier:
http://www.kepler-gesellschaft.de/Kepler-Foerderpreis/2006/Platz1_Faecheruebergreifend/Mathematik.html#II.%20Herleitung
Grundlage der Herleitung ist, dass ein Näherungswert für die Rotationsfläche des Fasses bestimmt wird, indem ein etwas zu großer und ein etwas zu kleiner Näherungswert miteinander verrechnet werden.
Der gewölbte Rand eines Fasses, ein Bogen zwischen zwei Punkten R und S in einem Koordinatensystem, wird zuerst auf halber Höhe des Fasses geteilt. Der zugehörige Punkt zu dieser Stelle m heißt M und bildet mit R bzw. S sowie den Punkten (m/0) und (r/0) bzw. (s/0) zwei Trapeze. Die Summe dieser beiden Flächeninhalte kann errechnet werden.
Anschließend berechnet man einen weiteren Näherungswert, der durch das Rechteck f(m)*(s-r) bestimmt wird.
Weil bei der Berechnung zwei Sehnentrapeze und nur ein Tangententrapez verwendet werden, wird bei der Kombination der beiden Näherungswerte der erste doppelt so stark gewichtet wie der zweite. Er ist doppelt so genau wie der erste.
Diese Behauptung - dass das erste Verfahren um den Faktor 2 genauer ist - erscheint mir sinnvoll; ich kann sie aber nicht mathematisch nachvollziehen. Wer von euch kann mir dabei helfen?
Ich danke euch schon jetzt für eure Mühe und Zeit!
Liebe Grüße
Maeloc
Ich habe diese Frage auch in folgenden Foren auf anderen Internetseiten gestellt.
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> Hallo!
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> Ich versuche gerade, die Keplersche Fassregel
> nachzuvollziehen. Es scheint mehrere Herleitungen dafür zu
> geben; eine davon ist jener in meinem Mathebuch sehr
> ähnlich. Ihr findet sie hier:
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> http://www.kepler-gesellschaft.de/Kepler-Foerderpreis/2006/Platz1_Faecheruebergreifend/Mathematik.html#II.%20Herleitung
>
> Grundlage der Herleitung ist, dass ein Näherungswert für
> die Rotationsfläche des Fasses bestimmt wird, indem ein
> etwas zu großer und ein etwas zu kleiner Näherungswert
> miteinander verrechnet werden.
>
> Der gewölbte Rand eines Fasses, ein Bogen zwischen zwei
> Punkten R und S in einem Koordinatensystem, wird zuerst auf
> halber Höhe des Fasses geteilt. Der zugehörige Punkt zu
> dieser Stelle m heißt M und bildet mit R bzw. S sowie den
> Punkten (m/0) und (r/0) bzw. (s/0) zwei Trapeze. Die Summe
> dieser beiden Flächeninhalte kann errechnet werden.
>
> Anschließend berechnet man einen weiteren Näherungswert,
> der durch das Rechteck f(m)*(s-r) bestimmt wird.
>
> Weil bei der Berechnung zwei Sehnentrapeze und nur ein
> Tangententrapez verwendet werden, wird bei der Kombination
> der beiden Näherungswerte der erste doppelt so stark
> gewichtet wie der zweite. Er ist doppelt so genau wie der
> erste.
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> Diese Behauptung - dass das erste Verfahren um den Faktor 2
> genauer ist - erscheint mir sinnvoll; ich kann sie aber
> nicht mathematisch nachvollziehen. Wer von euch kann mir
> dabei helfen?
>
> Ich danke euch schon jetzt für eure Mühe und Zeit!
> Liebe Grüße
> Maeloc
Hallo Maeloc,
ich habe mir jene "Herleitung" angeschaut und verstehe
sie nicht. Oder klarer ausgedrückt: ich finde, dass dies nicht
wirklich eine brauchbare mathematische Herleitung ist.
Der Grund ist der, dass über die exakte Form der Biegung
der Fassdauben überhaupt nichts gesagt wird. Es wird also
absolut offen gelassen, ob diese Biegung z.B. einem Kreis-
bogen, einer Parabel, einem Ellipsenbogen oder noch einer
anderen Kurve entsprechen soll. Ohne eine derartige Voraus-
setzung ist aber die Frage nach einer exakten Volumen-
formel sinnlos !
In dem Text wird irgendwie mit Gewichtungsverhältnissen
jongliert, ohne dies wirklich klar zu begründen, was ja eben
auch nicht möglich sein kann, wenn die Form der Kurve
gar nicht definiert ist.
In einem solchen Fall wäre es ratsam, zur eigentlichen
Quelle zu gehen, nämlich zum Werk
Stereometria doliorum vinariorum, in primis Austriaci
von Johannes Kepler, in welchem er seine Methode erläutert.
Ab Seite 61 werden dort insbesondere die "österreichischen
Fässer" studiert. Allerdings ist dies eine Lektüre für Spe-
zialisten, die sich außerdem in Latein sehr gut auskennen
sollten. Ich gehöre nicht dazu ...
LG Al-Chwarizmi
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(Frage) beantwortet | Datum: | 09:18 Di 05.01.2010 | Autor: | Maeloc |
Schade, Latein habe ich leider nie gelernt...
Heißt das, dass es also keine allgemeine Regel gibt, die etwas über die Gewichtungsverhältnisse besagt, mithilfe derer man Näherungswerte miteinander verrechnen kann?
Oder gibt es vielleicht eine Erklärung dieser Gewichtung, wenn man von einer Parabelform ausgeht? Soviel ich weiß bezieht sich die Keplersche Fassregel vorrangig auf Kurven, die sich durch eine Parabel annähern lassen.
Viele Grüße und ein erneutes Dankeschön!
Maeloc
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Hallo,
ich kann mich Al-Chwarizmi nur anschließen, die Herleiung kann nicht gehen; das mit dem "um den Faktor 2 genauer" ist nicht logisch hergeleitet (das geht so nicht).
Habe allerdings auch keine gute Herleitung gefunden aber suche noch weiter^^
LG
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 09:38 Di 05.01.2010 | Autor: | pythagora |
Hi,
ich hab grad noch mal meine Mathe Sachen diesbezüglich durchgeblättern und ein bici recherchiert; ich meine, dann du die Kepplersche Fassregel sowieso nur annähern kannst..
Guck doch auch mal bei: http://de.wikipedia.org/wiki/Keplersche_Fassregel
LG
pythagora
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(Frage) beantwortet | Datum: | 10:56 Di 05.01.2010 | Autor: | Maeloc |
Ich habe auch dort bereits nachgelesen; trotzdem vielen Dank für den Tipp. Ich finde die Herleitung im Wiki schöner und auch besser nachzuvollziehen.
Mein Problem ist, dass ich in einem Referat mithilfe der Keplerschen Fassregel nicht nur den Inhalt einer Rotationsfläche, sondern auch das Volumen eines Rotationskörpers berechnen möchte. Und zur Volumenberechnung habe ich in allen Quellen nur jene Herleitung gefunden, die auch auf der Internetseite verwendet wird. Die unterschiedliche Gewichtung der beiden Näherungswerte wird dort auch bei der Volumenberechnung angewandt. Ich dachte also, ich sollte am besten diese Herleitung im Ganzen verstehen und erklären können.
Versuche ich, die Keplersche Fassregel mithilfe der Annäherung durch eine Parabel herzuleiten (also wie im Wiki), dann gelingt es zumindest mir nicht darauf aufbauend auch das Volumen zu berechnen. Aber vielleicht kann mir von euch jemand dabei helfen? Habe schon verzweifelt rumprobiert...
Im Übrigen habe ich außerdem die deutsche Übersetzung der Neuen Stereometrie gefunden. Ich habe versucht, die für mich interessanten Seiten herauszufiltern, also jene zur Herleitung der eigentlichen Regel, dabei aber keinen Erfolg gehabt. Ich finde innerhalb des Buches vieles, nur nicht die eigentliche Regel...
http://www.archive.org/stream/neuestereometri00archgoog
Viele Grüße
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> Ich habe auch dort bereits nachgelesen; trotzdem vielen
> Dank für den Tipp. Ich finde die Herleitung im Wiki
> schöner und auch besser nachzuvollziehen.
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> Mein Problem ist, dass ich in einem Referat mithilfe der
> Keplerschen Fassregel nicht nur den Inhalt einer
> Rotationsfläche, sondern auch das Volumen eines
> Rotationskörpers berechnen möchte. Und zur
> Volumenberechnung habe ich in allen Quellen nur jene
> Herleitung gefunden, die auch auf der Internetseite
> verwendet wird. Die unterschiedliche Gewichtung der beiden
> Näherungswerte wird dort auch bei der Volumenberechnung
> angewandt. Ich dachte also, ich sollte am besten diese
> Herleitung im Ganzen verstehen und erklären können.
>
> Versuche ich, die Keplersche Fassregel mithilfe der
> Annäherung durch eine Parabel herzuleiten (also wie im
> Wiki), dann gelingt es zumindest mir nicht darauf aufbauend
> auch das Volumen zu berechnen. Aber vielleicht kann mir von
> euch jemand dabei helfen? Habe schon verzweifelt
> rumprobiert...
>
> Im Übrigen habe ich außerdem die deutsche Übersetzung
> der Neuen Stereometrie gefunden. Ich habe versucht, die
> für mich interessanten Seiten herauszufiltern, also jene
> zur Herleitung der eigentlichen Regel, dabei aber keinen
> Erfolg gehabt. Ich finde innerhalb des Buches vieles, nur
> nicht die eigentliche Regel...
> http://www.archive.org/stream/neuestereometri00archgoog
>
> Viele Grüße
Hallo Maeloc,
danke für den Link. Die Keplerregel für Flächeninhalte gilt
exakt für quadratische Funktionen, interessanterweise
aber sogar auch noch für beliebige Funktionen dritten
Grades. Das kannst du mittels eines Integrals nachrechnen.
Wenn wir nun das Volumen eines Rotationskörpers berechnen
wollen, kommen wir auf das Integral
[mm] $\integral_{a}^{b}\pi*(f(x))^2\,dx$
[/mm]
Falls nun die Funktion [mm] q(x)=(f(x))^2 [/mm] ein Polynom vom Grad
[mm] n\le3 [/mm] ist, liefert die Keplersche Fassformel das exakte Volumen.
Dies klappt also z.B. immer, falls f(x) eine konstante oder
lineare Funktion ist (Zylinder, Kegel, Kegelstumpf), aber
auch für Funktionen der Art [mm] f(x)=c*\sqrt{r^2-x^2} [/mm] (Kugel
oder Rotationsellipsoid) oder etwa auch für [mm] f(x)=\sqrt{x*(x-4)^2}
[/mm]
(ein zwiebelartiger Körper).
Ist aber f(x) eine quadratische Funktion, so hat q den Grad 4.
Dies ist ein bisschen zu hoch für die Fassregel, aber in dem
Wiki-Artikel steht ja für diesen Fall der Gleichung 4. oder
höheren Grades eine Formel für die Abschätzung des Fehlers,
den man dabei höchstens macht.
LG Al-Chw.
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(Frage) reagiert/warte auf Reaktion | Datum: | 11:51 Di 05.01.2010 | Autor: | Maeloc |
Hallo Al-Chwarizmi!
Vielen Dank für deine schnellen Antworten.
Entschuldige, da habe ich mich nicht klar ausgedrückt; ich dachte an etwas anderes, als ich von der Volumenberechnung schrieb. Ich möchte nicht die Keplersche Formel für den Flächeninhalt verwenden, um dann gemäß der Integralrechnung weiterzurechnen, sondern ich möchte die Keplersche Fassregel auf Volumina erweitern und schließlich auf den Term
[mm] V=pi*h*((f(r)^2+5f(m)^2+f(s)^2+f(r)f(m)+f(s)f(m)/9)
[/mm]
zu gelangen, wie ich ihn auch auf
http://www.kepler-gesellschaft.de/Kepler-Foerderpreis/2006/Platz1_Faecheruebergreifend/Mathematik.html
und anderen Internetseiten finde.
Mithilfe der Herleitung auf Wiki gelingt mir das nicht.
Könnt ihr mir helfen?
LG Maren
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> Hallo Al-Chwarizmi!
> Vielen Dank für deine schnellen Antworten.
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> Entschuldige, da habe ich mich nicht klar ausgedrückt; ich
> dachte an etwas anderes, als ich von der Volumenberechnung
> schrieb. Ich möchte nicht die Keplersche Formel für den
> Flächeninhalt verwenden, um dann gemäß der
> Integralrechnung weiterzurechnen, sondern ich möchte die
> Keplersche Fassregel auf Volumina erweitern und
> schließlich auf den Term
>
> [mm]V=pi*h*((f(r)^2+5f(m)^2+f(s)^2+f(r)f(m)+f(s)f(m)/9)[/mm]
>
> zu gelangen, wie ich ihn auch auf
>
> http://www.kepler-gesellschaft.de/Kepler-Foerderpreis/2006/Platz1_Faecheruebergreifend/Mathematik.html
> und anderen Internetseiten finde.
>
> Mithilfe der Herleitung auf Wiki gelingt mir das nicht.
>
> Könnt ihr mir helfen?
> LG Maren
Hallo Maren,
Diese Formel habe ich sonst nirgends gesehen, und in dem
Link-Text wird ja auch gezeigt, wie sie entstanden ist -
allerdings eben ohne eigentlich fundierte Begründung.
Da kann ich also nicht weiter helfen. Den Text von Kepler
(in der deutschen Fassung) im Detail zu studieren, will ich
mir nicht antun. Er trieb Geometrie in einer Weise (ohne
Formelschreibweise, die damals noch gar nicht existierte),
die für uns nur schwer nachzuvollziehen ist. Nach einem
Analogon zur heute so genannten "Keplerschen Fassregel"
habe ich vergeblich gesucht. Ergötzt habe ich mich aber
zum Beispiel über das ganze Sortiment an Früchten
(Apfel, Zitrone, Quitte, Pflaume etc.), das Kepler zur Ver-
anschaulichung seiner Ideen benützte.
LG Al-Chw.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 15:41 Di 05.01.2010 | Autor: | reverend |
Hallo Maren,
ich verstehe die Frage jetzt erst recht nicht mehr.
Auf der von Dir verlinkten Seite steht doch eine detaillierte Herleitung mit Erklärungen.
Wenn es etwas gibt, das Dir daran unklar ist, müsstest Du schon genauer sagen, was. Es macht doch keinen Sinn, das alles, was dort schon steht, noch einmal zu schreiben.
lg
reverend
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 23:08 Di 05.01.2010 | Autor: | reverend |
Hallo Maren,
eine exakte Herleitung ist, wie Dir pythagora und Al-Chwarizmi ja schon gesagt haben, selbst mit Einsicht in die Quelle nicht möglich. Die Infinitesimalrechnung wurde - offenbar recht unabhängig voneinander - von Newton und Leibniz erst viel später begründet. Keplers Näherungsformeln sind daher in ihrer Genauigkeit besonders deswegen erstaunlich, weil er sie noch gar nicht begründen konnte.
Nun ist die Frage, was das Ziel Deiner Präsentation sein soll - eine Kritik an Kepler und eine Korrektur mit heutigen Mitteln - oder eine Würdigung seiner Leistung im historischen Kontext. Von dieser Entscheidung hängt ab, wonach Du noch suchen solltest.
Für eine Würdigung ist ein Verständnis seiner Vorgehensweise nötig. Ich beherrsche genügend Latein und geschichtliche Entwicklung der Mathematik, um ggf. ein sehr kleines, möglichst genau bestimmtes Stück seiner Schrift einmal zu sichten, kann aber gerade nicht viel Zeit investieren. Das Buch ist ja wesentlich umfangreicher als all seine Zusammenfassungen, das liegt in der Natur der Sache...
Vielleicht helfen Dir aber ja auch etwas umfänglichere Darstellungen als der Wikipedia-Artikel oder die von Dir ursprünglich angeführte Seite. Hier z.B. findest Du eine ebenfalls kleine, aber doch andere Zusammenfassung, und hier deutlich mehr. Ich vermute, dass der letztere Link völlig ausreichend ist.
Wäre ein Fass einfach durch die gespannten Bretter (Dauben) und die Lage und den Durchmesser der Ringe zu definieren, so könnte die äußere Kurve durch eine Differentialgleichung beschrieben werden. Wahrscheinlich wäre sie eher nicht vom Typ Parabel, sondern eher mit der Kettenkurve verwandt. Doch so funktionieren Fässer ja nicht. Der Böttcher (Büttner, Fassmacher) hat durchaus einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der Formung der Dauben durch die Biegung unter Wärme und Feuchtigkeit, das sog. "Toasten" der Innenwände, das Hobeln oder Beschleifen bestimmter Krümmungsstellen, und in der Tat die Positionierung und Dimensionierung der Fassringe.
Nun sollst Du aber sicher nicht die Handwerks- und Kulturgeschichte des Fasses noch studieren, sondern schlicht Keplers Näherung der Fläche und die Anwendung der Guldinschen Regel präsentieren. Für einen so komplizierten Körper wie ein Fass ist die Näherung ja hervorragend; mehr hätte numerische Mathematik damals kaum mit so prägnanten Formeln erreichen können.
Wenig später hätte Bonaventura Cavalieri genauer arbeiten können; als Keplers Werk erschien, war er 17 Jahre alt. Mir ist aber nicht bekannt, dass er auch zu Fässern etwas vorgelegt hätte.
Wenn Du noch Fragen hast, versuch sie so genau wie möglich zu stellen. Wenn Du Einblick in Keplers lateinisches Werk brauchst, dann such erst die Stelle in der deutschen Übersetzung - die ist ja schon schwer genug zu verstehen.
Herzliche Grüße, und viel Erfolg!
reverend
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> Soviel ich weiß bezieht sich die Keplersche Fassregel
> vorrangig auf Kurven, die sich durch eine Parabel
> annähern lassen.
Dabei muss man aber aufpassen. Im Falle, wo die
Fassdauben parabolisch gekrümmt sind, mit dem
Parabelscheitel in ihrer Mitte, gilt die Fassregel
nämlich nicht bzw. gibt nur eine Näherung, die
im Wikipedia-Artikel auch angegeben wird.
Hingegen stimmt die Formel exakt für den
Rotationskörper, der entsteht, wenn man eine
Parabel (oder Ellipse) um ihre Achse rotieren lässt.
LG Al-Chw.
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Hallo Maeloc,
ich habe mich nochmals ein wenig in die übersetzte
Originalschrift von Kepler über die Fässer vertieft:
Übersetzung von Keplers Schrift
und bin zum Schluss gekommen, dass die angebliche
"Keplersche Fassregel" weder in der einen (2-dimen-
sionalen) noch in der anderen (3-dimensionalen)
Form wirklich von Kepler stammt.
Kepler stellt zwar umfangreiche geometrische Über-
legungen an, insbesondere um die Frage, ob die damals
gängige Visierrutenmethode zur Vermessung von Fäs-
sern überhaupt stimmen könne. Aber ein einfaches
Rezept, wie man nun aus den Messgrößen (innere)
Fasshöhe, Durchmesser unten, in der Mitte und oben
wirklich das Volumen berechnen könnte, sucht man
in dieser Schrift vergebens.
So ist wohl die Bezeichnung "Keplersche Fassregel"
gar nicht gerechtfertigt !
Wo anders als in seiner Schrift über die Fässer sollte man
sie denn suchen ?
Ich habe auch eine Schrift von Lutz Führer (*) gefunden,
in welcher zu lesen ist:
"Die für Prismatoide hergeleitete Formel wird gewöhn-
lich Fass- oder Simpson-Regel genannt und Kepler
(um 1615) oder Simpson (1743) zugeschrieben."
und:
"Die Zuschreibungen sind alles andere als überzeugend,
weil Kepler sich zwar 1615/16 ausgiebig mit Volumen-
berechnungen für Fässer beschäftigt hat, aber die Regel
weder angegeben noch benutzt hat. Simpson gab die
Regel 1743 an und bewies sie auch, aber er schrieb sie
ausdrücklich Newton zu." ......
Ferner:
"Nach Max Caspar stammt die erste deutsche Publikation
darüber von Lambert 1765 und erfasst erstmals auch
Fässer, die nur unvollständig gefüllt sind:
„…Setzet, das Faß habe in der Mitte bei dem Spundloch
noch einen Boden, der mit den beyden anderen parallel
sey. Messet den Raum aus, den der Wein auf diesen
dreyen Böden benetzt oder bedeckt. Den Raum des mitt-
leren Bodens nehmet vierfach und addiert dazu den Raum
der äußern Böden. Die Summe wird durch 6 geteilt, und
was herauskömmt, mit Länge des Fasses multipliziert,
wird das Produkt der Inhalt des Fasses seyn, soweit es
angefüllt ist …“ "
LG Al-Chwarizmi
(*): http://mathdid.ph-gmuend.de/documents/md_2006/md_2006_1_Fuehrer_Heuristik.pdf
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 21:45 Mo 18.01.2010 | Autor: | reverend |
Hallo Al,
ich bin voll Bewunderung, dass Du Dir die Arbeit gemacht hast, Keplers für uns heute kaum verständliche Schrift durchzuarbeiten. Leider fehlen ja in der Wiedergabe bei archive.org eine ganze Reihe von Seiten, aber auch auf den dort eingestellten zeigt sich keine Spur einer Anwendung der "Fassformel", höchstens Keplers Selbstgewissheit, über eine solche zu verfügen. So scheint er - zum sog. österreichischen Fass - ja doch nicht nur Messungen, sondern auch Berechnungen angestellt zu haben, siehe S. 85/86. Diese Stelle wird (ohne Seitenangabe) auch im Nachwort des Herausgebers S. 102 als Beleg angeführt, so dass man wohl annehmen darf, dass eine genauere Betrachtung und vor allem Berechnung im ganzen Buch nicht erfolgt.
Auf der anderen Seite ist dieses praktische Anliegen ja "nur" der Auslöser für Keplers Beschäftigung mit Rotationskörpern gewesen, und seine Ungenauigkeit wird schon von Guldin zu Recht gerügt. Auch hier lässt sich nur sekundär schliessen, dass auch die gekürzte deutsche Ausgabe für den Praktiker, das "Visierbüchlein" von 1616 (siehe Angabe im Nachwort, S. 103), die eigentliche "Fassregel" gar nicht enthalten habe.
Der interessante Artikel von Lutz Führer, auf den Du verweist, benennt in Fussnote 18 die recht wahrscheinliche Theorie, dass die Formel "Allgemeingut" in bestimmten gebildeten Kreisen (sicher bei den Böttchern und Büttnern!) der Zeit gewesen sei. Das begegnet in der Tat häufiger, und solche Formeln wurden dann erst publiziert, wenn man sie auch belegen, will heissen: herleiten, konnte. Dazu war Kepler offenbar noch nicht in der Lage. Erst die Kumulation der Anstrengungen von Guldin, Cavalieri, Torricelli, Leibniz, Newton, Simpson und vielen anderen haben die Werkzeuge geschaffen, um endlich Rotationskörper über die klassisch bekannten hinaus zu betrachten. Wie wenig erfahren die mathematische Welt darin war, zeigt sich ja auch in der amüsanten Terminologie Keplers - Olive, Pflaume, Apfel... Selbst fachsprachlich wirkt der "konjugierte Zylinder" eher unbeholfen.
In manchem aber ist uns der Zugang gerade durch die fehlenden Begriffe sehr erschwert. Dies zeigt sich nicht nur in der Mathematik des Mittelalters und der frühen Neuzeit, sondern mehr noch in den klassischen Werken der Mathematik. Euklid im Original ist gänzlich unverständlich, so auch ägyptische, chinesische, babylonische und indische Werke. Man darf hier eben weder die Zermelo-Fraenkelsche Axiomatik noch deren Formalisierung durch Russell und Whitehead voraussetzen, geschweige denn spätere Schreibweisen, die es in fast allen Disziplinen der Mathematik gibt.
Selbst die heute fast archaisch erscheinenden Zeichen wie [mm] \partial, [/mm] die ja auf Schreibweisen des 19. Jahrhunderts und früher zurückgehen, erschliessen die Zeit vor 1700 gar nicht. Dass die Schreibweise [mm]y'[/mm] auf Leibniz, [mm]\dot{y}[/mm] aber auf Newton zurückgeht, muss man nicht wissen. Wir haben beide übernommen, um die häufigen Ableitungen nach x bzw. nach t unterscheiden zu können. Cantor hat als erster das hebräische Alphabet (genauer: das Aleph-Beth) bemüht, weil ihm die griechischen Buchstaben ausgegangen waren, und sicher auch, weil er signalisieren wollte, dass er eine neue Welt betreten hatte, die es doch schon immer gab.
Inwieweit also bei Kepler doch eine Spur der möglichen Berechnung von Fassvolumina zu finden sein mag, würde ich ohne eigene Prüfung, zu der ich überhaupt keine Zeit habe, nicht vorschnell von der Hand weisen wollen. Zu "exotisch" ist die Darstellungsweise und die satzweise Beschreibung mathematischer Zusammenhänge, als dass ich sie aus dem Stegreif überblicken könnte.
Dennoch hege ich keinen Zweifel an Deiner Feststellung, dass die Keplersche Fassregel wohl nicht von Kepler stammt. Dass sie aber nicht nur ihm zu Ehren so genannt wurde, sondern er an der Schaffung ihrer Grundlagen in Form einer fehlerminimierenden Abschätzung beteiligt war, steht m.E. ausser Zweifel.
In diesem Sinne werde ich nun etwa ein zweitausendstel Fass guten Chardonnays opfern müssen, um wenn schon nicht dessen Volumen, so doch Gär- und Lagerstand zu prüfen, notfalls eben fehlerbehaftet.
Dank für all Deine Mühe!
Bhüet di,
dr reverend
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