Produktregel < Stochastik < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 00:20 Sa 31.10.2015 | Autor: | James90 |
Hi!
Ich habe eine Verständnisfrage zur ersten Pfadregel (Produktregel) "Die Wahrscheinlichkeit eines Pfades ist gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten entlang dieses Pfades."
Wieso ist das mathematisch richtig? Das hat wohl etwas mit der Bedingten Wahrscheinlichkeit und dem daraus abgeleiteten Multiplikationssatz zu tun, aber so richtig verstehen kann ich das nicht.
Beispiel: A="es regnet" und B="wenn es regnet, dann schläft Thomas" mit P(A)=P(B)=1/2.
Jetzt ist gesucht nach der W'keit vom Ereignis "Es regnet und Thomas schläft", also [mm] P(A\cap [/mm] B).
Auf meinem Pfad stehen nun nacheinander A und [mm] $A\cap [/mm] B$. In der Schule hat man aber gelernt einfach A und B zu schreiben. Wieso darf man das? Liegt es daran, dass [mm] $A\cap [/mm] B=B$ gilt? Das gilt doch nur für [mm] $B\subseteq [/mm] A$... Ohne nachzudenken schreibe ich zwischen den Buchstaben 1/2 und multipliziere 1/2*1/2=1/4.
Nach A komme ich nur mit P(A)=1/2. Wie komme ich nun von A nach [mm] $A\cap [/mm] B$? Ich komme nur zu [mm] $A\cap [/mm] B$, wenn A gilt. Also unter der Bedingung das A gilt will ich zu [mm] $A\cap [/mm] B$ kommen. Also [mm] P(A\cap [/mm] B|A). Es gilt [mm] P(A\cap B|A)=P(A\cap B\cap A)/P(A)=P(A\cap [/mm] B)/P(A)=P(A|B). Auf dem Pfad würde man nun zwischen A und [mm] $A\cap [/mm] B$ schreiben P(A|B). Wieso ist das nun 1/2? A und B sind doch ABHÄNGIG von einander, also gilt NICHT [mm] P(A|B)=P(A\cap [/mm] B)/P(B)=P(A)*P(B)/P(B)=P(A)=1/2......
edit:: Zu A komme ich also mit P(A) und von dort auf zu [mm] $A\cap [/mm] B$ komme ich nur mit P(A|B). Wegen [mm] P(A\cap B)=P(A)*P(A\cap [/mm] B)/P(A)=P(A)*P(A|B) komme ich also insgesamt zu [mm] $A\cap [/mm] B$, indem ich mit P(A) zu A gehe und dann von dort aus mit P(A|B) zu [mm] $A\cap [/mm] B$ gehe. Wieso ist aber P(A|B)=1/2 ?? Wenn [mm] $A\cap [/mm] B=B$ gilt, dann ist mir das aber klar, aber wie weiter oben gesagt bin ich unsicher ob wirklich [mm] $B\subseteq [/mm] A$ gilt.
Vielen Dank schonmal!
LG, James
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Wenn du einen Baum gezeichnet hast, ist eigentlich immer klar, was gemeint ist, wenn du auf den entsprechenden Weg guckst. Der Baum ist ein Hilfsmittel, das dir das "Abgucken" der Wahrscheinlichkeiten erlaubt. Es ist daher nicht notwendig, ihn mehr als nötig oder präziser als nötig zu beschriften. Auch spielt es keine Rolle, ob A und B abhängig voneinander sind oder nicht, denn am Verlauf des Weges wird ja alles ersichtlich.
Beispiel: In einer Urne befinden sich 10 rote und 5 weiße Kugeln. Du ziehst 2 Kugeln (ggf. hintereinander ohne Zurücklegen) und sollst die Wahrscheinlichkeit bestimmen, genau eine weiße und eine rote zu erwischen. Dann teilst du den ersten Zug auf in w (p=5/15) und r (p=10/15) auf und dann hängst du an w das r (p=10/14) bzw. an r das w (p=5/14) an. Macht zusammen (5/15)*(10/14)+(10/15)*(5/14)=10/21
Wozu brauchst du jetzt umständliche Bezeichnungen, die den Laden nur aufhalten? Ich habe jahrelang am Gymnasium Stochastik unterrichtet und kann den Satz von Bayes bis heute nicht aufschreiben, weil mich das ganze Buchstabengewirr nur irritiert. Ein Blick auf den Baum oder in die Vierfeldertafel reicht, um den Bruch hinzuschreiben, den ich berechnen muss. Und wenn man den Ausdruck abstrakt hinschreiben musste, weil noch eine Angabe fehlte, habe ich einfach an das Blatt im Baum ein x drangeschrieben statt P(A|B) oder so.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 16:17 Mo 02.11.2015 | Autor: | tobit09 |
Hallo HJKWeseleit!
> Wozu brauchst du jetzt umständliche Bezeichnungen, die den
> Laden nur aufhalten?
Ist das einzige Ziel, in typischen überschaubaren konkreten Beispielsituationen möglichst schnell zu Zahlen als Ergebnissen zu kommen, gebe ich dir Recht.
Die formalen Konzepte der Stochastik, wie sie in erster Linie an den Hochschulen gelehrt werden, erlauben hingegen z.B.
- die Begründung vieler Rechenwege
- Überblick auch in komplizierteren Situationen behalten (z.B. n hintereinander ausgeführte Experimente anstelle von nur 2 oder 3)
- Formulierung, Untersuchung und Beweis allgemeiner Zusammenhänge
Der letztgenannte Punkt ist entscheidender Gegenstand der Hochschul-Stochastik.
Wenn man sich nun im Rahmen der Hochschul-Stochastik mit den formalen Konzepten auseinandersetzt, finde ich Überlegungen der Art "Wie passen diese Konzepte zu naiven Rechnungen?" wichtig für ein Gesamtverständnis.
Viele Grüße
Tobias
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Du hast absolut recht.
Aber: Gerade die hier benutze Schreibweise ist der Sache keineswegs dienlich, und genau das beweist deine Mitteilung an James90: 3 "Schreibfehler" bei James90 in einer so kurzen Darlegung sind nichts Ungewöhnliches und zeigen gerade die Schwierigkeiten dieses Kalküls. Und wenn es mehr Schaden als Nutzen verursacht, ist es nicht besonders tauglich und müsste durch eine andere Schreibweise abgelöst werden.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 14:51 Di 03.11.2015 | Autor: | tobit09 |
> Du hast absolut recht.
>
> Aber: Gerade die hier benutze Schreibweise ist der Sache
> keineswegs dienlich, und genau das beweist deine Mitteilung
> an James90: 3 "Schreibfehler" bei James90 in einer so
> kurzen Darlegung sind nichts Ungewöhnliches und zeigen
> gerade die Schwierigkeiten dieses Kalküls. Und wenn es
> mehr Schaden als Nutzen verursacht, ist es nicht besonders
> tauglich und müsste durch eine andere Schreibweise
> abgelöst werden.
Dass Lernenden (und Lehrenden) Fehler unterlaufen, ist nicht nur in der Hochschul-Stochastik der Fall, sondern zumindest in der Mathematik ziemlich überall. Das würde ich aber nicht zum Anlass nehmen, alle Konzepte und Schreibweisen infrage zu stellen.
Dennoch kann man sich natürlich Gedanken machen, ob es bessere Schreibweisen gibt. Im Falle der Hochschul-Stochastik glaube ich nicht, dass diese Gedanken zum Erfolg führen.
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(Antwort) fertig | Datum: | 15:48 Mo 02.11.2015 | Autor: | tobit09 |
Hallo James!
Im Gegensatz zu meinem Vorredner finde ich gut, dass du dir Gedanken der Art "Wie passen formale und eher naive Konzepte zueinander?" machst. Schließlich betreibst du ja Stochastik nicht mehr auf Schulniveau, auf dem auf formale Konzepte häufig verzichtet wird.
> Ich habe eine Verständnisfrage zur ersten Pfadregel
> (Produktregel) "Die Wahrscheinlichkeit eines Pfades ist
> gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten entlang dieses
> Pfades."
>
> Wieso ist das mathematisch richtig?
Das hängt aus meiner Sicht ein wenig davon ab, wie du diese Regel genau interpretieren möchtest. Mir sind schon mindestens zwei verschiedene Interpretationen begegnet:
a) Produktregel zur Modellierung von endlich vielen hintereinander ausgeführten Experimenten, wobei das (i+1)-te Experiment jeweils von den Ausgängen der Experimente 1 bis i abhängen darf.
b) Produktregel als Aussage über bedingte (und unbedingte) Wahrscheinlichkeiten.
Während b) sich als präzise mathematische Aussage formulieren lässt, ist a) eher eine nicht rein mathematische Aussage, dass in gewissen Situationen eine gewisse Modellierung angemessen ist.
a) würde man eher heuristisch mithilfe relativer Häufigkeiten begründen (in ähnlicher Weise, wie sich das Konzept der bedingten Wahrscheinlichkeit heuristisch mittels relativer Häufigkeiten rechtfertigen lässt).
Ich entnehme dem Folgenden, dass dein Interesse eher b) gilt und beschränke mich erst mal darauf.
Wenn ich noch etwas zu a) schreiben soll, gib mir bitte Bescheid.
> Das hat wohl etwas mit
> der Bedingten Wahrscheinlichkeit und dem daraus
> abgeleiteten Multiplikationssatz zu tun, aber so richtig
> verstehen kann ich das nicht.
> Beispiel: A="es regnet" und B="wenn es regnet, dann
> schläft Thomas" mit P(A)=P(B)=1/2.
Das Ereignis B ist ungünstig (und missverständlich?) als einführendes Beispiel gewählt.
Ich möchte lieber folgende Situation betrachten:
$A=$"es regnet"
$B=$"Thomas schläft"
[mm] $P(A)=\frac{1}{2}$
[/mm]
[mm] $P(B|A)=\frac{1}{2}$.
[/mm]
Die letzte Zeile drückt aus, dass im Mittel in der Hälfte aller "Regen-Situationen" Thomas schläft.
Vermutlich wolltest du genau das ausdrücken.
> Jetzt ist gesucht nach der W'keit vom Ereignis "Es regnet
> und Thomas schläft", also [mm]P(A\cap[/mm] B).
Es gilt (nach Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit P(B|A))
[mm] $P(A\cap B)=P(B|A)*P(A)=\frac{1}{2}*\frac{1}{2}=\frac{1}{4}$.
[/mm]
Genau dies besagt die Produktregel in dieser Situation.
> Auf meinem Pfad stehen nun nacheinander A und [mm]A\cap B[/mm].
Nein, da sollten $P(A)$ und $P(B|A)$ stehen.
> In
> der Schule hat man aber gelernt einfach A und B zu
> schreiben. Wieso darf man das?
Das ist eine Konvention. Sie ist sinnvoll, wenn man den Wahrscheinlichkeitsbaum wie folgt liest: Unterhalb von dem "A-Zweig" sind die bedingten Wahrscheinlichkeiten gegeben das Ereignis A angegeben.
> Liegt es daran, dass [mm]A\cap B=B[/mm]
> gilt? Das gilt doch nur für [mm]B\subseteq A[/mm]...
In der Tat ist gilt nur im ("uninteressanten") Fall [mm] $B\subseteq [/mm] A$ die Gleichheit [mm] $A\cap [/mm] B=B$.
> Ohne
> nachzudenken schreibe ich zwischen den Buchstaben 1/2 und
> multipliziere 1/2*1/2=1/4.
>
> Nach A komme ich nur mit P(A)=1/2. Wie komme ich nun von A
> nach [mm]A\cap B[/mm]? Ich komme nur zu [mm]A\cap B[/mm], wenn A gilt. Also
> unter der Bedingung das A gilt will ich zu [mm]A\cap B[/mm] kommen.
> Also [mm]P(A\cap[/mm] B|A). Es gilt [mm]P(A\cap B|A)=P(A\cap B\cap A)/P(A)=P(A\cap[/mm]
> B)/P(A)=P(A|B).
Abgesehen davon, dass du hinter dem letzten Gleichheitszeichen A und B vertauscht hast, stimmt die Gleichungskette.
> Auf dem Pfad würde man nun zwischen A und
> [mm]A\cap B[/mm] schreiben P(A|B). Wieso ist das nun 1/2?
[mm] $P(B|A)=\frac{1}{2}$ [/mm] war meine Modellannahme (sinnvoll deshalb, weil Thomas im Mittel in der Hälfte der Fälle, in denen es regnet, schläft).
> A und B
> sind doch ABHÄNGIG von einander,
Vermutlich ja. (Das hängt von der Sachsituation ab, ob im Modell A und B stochastisch unabhängig sind: Schläft Thomas auch in den "Nicht-Regen-Situationen" im Mittel in der Hälfte der Fälle oder nicht?)
> also gilt NICHT
> [mm]P(A|B)=P(A\cap[/mm] B)/P(B)=P(A)*P(B)/P(B)=P(A)=1/2......
Solange wir nicht wissen bzw. annehmen, dass A und B stochastisch unabhängig sind, können wir in der Tat nicht so argumentieren.
> edit:: Zu A komme ich also mit P(A) und von dort auf zu
> [mm]A\cap B[/mm] komme ich nur mit P(A|B). Wegen [mm]P(A\cap B)=P(A)*P(A\cap[/mm]
> B)/P(A)=P(A)*P(A|B) komme ich also insgesamt zu [mm]A\cap B[/mm],
> indem ich mit P(A) zu A gehe und dann von dort aus mit
> P(A|B) zu [mm]A\cap B[/mm] gehe. Wieso ist aber P(A|B)=1/2 ??
Du meinst wohl weiterhin stets $P(B|A)$, wo du $P(A|B)$ schreibst.
Viele Grüße
Tobias
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Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 18:42 Mo 02.11.2015 | Autor: | James90 |
Vielen Dank, meine Denkblockade scheint vorerst gelöst! :)
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